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Marionettentheater Schartenhof
Bastien und Bastienne
 
Im Verzeichnis der Jugendwerke seines Sohnes Wolfgang Amadeus hat Leopold Mozart 1768 auch die "Operetta Bastien und Bastienne, im Teutsch" eingetragen. So einfach und schlicht dieses Singspiel wirkt: seine Entstehungsgeschichte ist erstaunlich kompliziert und mit vielen Fragezeichen versehen. So ist nicht mit Sicherheit bekannt, ob das kleine Werk von Dr. Anton Mesmer (dem später als Magnetiseur bekannt gewordenen Arzt in Wiens Vorort Landstraße) in Auftrag gegeben wurde und ob es in dessen Haus im Oktober 1768 aufgeführt wurde. Georg N. Nissen, Ehemann der Witwe Mozarts, berichtet dieses, Mozarts Schwester Nannerl hat dem ersten Mozartbiographen Schlichtegroll 1792 hingegen nichts über diese Aufführung, bei der sie hätte zugegen sein müssen (die ganze Familie Mozart war damals in Wien), erzählt. Unsicher ist ferner, wann Mozart mit der Komposition begonnen hat, möglicherweise bereits 1767 in Salzburg; vollendet wurde sie 1768 in Wien. Dazu kommt, daß "wohl an keinem anderen Werk Mozarts an der textlichen Vorlage so herumgeflickt worden ist wie bei Bastien und Bastienne" (R. Angermüller, Neue Mozartausgabe, 2. Aufl., Serie II, Werkgruppe 5, Band 1, Bärenreiter Verlag 1990).

Seinen Ursprung hat dieses Singspiel in einer Oper von Jean-Jacques Rousseau "Le Devin au village", einem der größten Opernerfolge zwischen 1753 und 1829 (in diesem Zeitraum gab es allein in Paris 544 Aufführungen). Bereits wenige Monate nach der Erstaufführung in Paris (1753) erschien eine Parodie (keine Verspottung, sondern eine Übertragung ins ländliche Milieu) unter dem Titel "Les amours de Bastien et Bastienne"; Autoren waren das Ehepaar Favart und Harny de Guerville. Da Monsieur Favart als literarischer Berater und Theateragent nach Wien geholt wurde, ist auch diese Parodie von Bastien und Bastienne in Wien bereits 1755 bekannt geworden und zwar in einer Übersetzung durch Fr. Wilh. Weiskern und Joh. H.-F. Müller. In Salzburg wurde das Stück durch die Bernersche Truppe 1767 bekannt, wahrscheinlich mit der Musik von Joh.B. Savio, dem damaligen Prager Musikdirektor. An dem letztlich von Mozart verwendeten Text hat auch der Salzburger Hoftrompeter Joh. A. Schachtner, ein Freund der Familie Mozart, Anteil, doch ist dessen Ausmaß nicht genau feststellbar. Das Autograph von Bastien und Bastienne ist seit dem 2. Weltkrieg verschollen, ebenso das Manuskript Schachtners, das sich bis 1951 in Händen des bedeutenden Mozart-Forschers Alfred Orel befand. Mozart begann die Komposition, soweit das heute rekonstruiert werden kann, zunächst mit dem Weiskern/Müller-Text, änderte aber dann einiges ab unter Berücksichtigung des Schachtner-Textes. Mit Alfred Einstein kann man sagen: "Das ist eine lange Historie für ein so einfaches Stück."

Die heutige Aufführung hält sich an die Partitur, wie sie in der Neuen Mozart Ausgabe angegeben ist, unter Verwendung der Prosatexte von Weiskern.

Die Handlung ist rasch erzählt; es gibt nur drei Personen: Bastienne (Sopran), eine Schäferin, Bastien, ihren Geliebten (Tenor) und den vermeintlichen Zauberer Colas (Baß).

Bastienne klagt über die Unbeständigkeit Bastiens und erhält vonColas den Rat, sich ihrerseits flatterhaft zu benehmen, das würde schon wirken. Colas erzählt sodann Bastien, daß seine Geliebte ihm den Abschied gegeben habe; Bastien zweifelt zunächst daran und bittet dann Colas um Rat. In einer schaurig-drolligen Beschwörungsarie vespricht Colas Hilfe. Zunächst erweist sich die ihres Weges gehende Bastienne tatsächlich als spröde und tut, als ob sie Bastien nicht mehr kennte. Schließlich aber siegt die Liebe, Bastien und Bastienne versöhnen sich, Colas kommt hinzu und reklamiert dies für sich ("dankt dies meiner Zaubermacht"). Im Schlußterzett preisen alle Colas als weisen Mann.

Der zwölfjährige Mozart hat für dieses Singspiel eine Fülle an eingängigen, häufig liedhaften Melodien geschaffen. Im Vorspiel (Nr. 1, Intrada) entdeckt der Zuhörer mit Staunen die Vorwegnahme eines Themas von Beethovens "Eroica". Die beiden ersten Arien von Bastienne sind Lieder von großer Schlichtheit, die dennoch sowohl die Traurigkeit als auch das etwas schnippische Wesen der Schäferin charakterisieren. Colas‘ Auftritt wird von einer Art Dudelsack-Musik begleitet, seine erste Arie (Nr. 4 "Befraget mich ein zartes Kind") verrät einiges von der Blasiertheit des Dorfzauberers. Die beiden folgenden Arien von Bastienne, von Tonart und Tempo sehr verschieden, zeigen einerseits die Betrübnis, aber auch die Aufrichtigkeit von Bastiens Geliebter. Der wichtigtuerische Colas und die (scheinbar) folgsame Bastienne werden im Duetto Nr. 7 musikalisch wunderbar charakterisiert. Bastien wird dem Zuhörer mit einer Arie (Nr. 8 "Großen Dank dir abzustatten, Herr Colas ...") als der von seiner Flatterhaftigkeit kurierte Liebhaber vorgestellt. Daß Bastienne ihn verlassen haben soll, kann er gar nicht glauben (Nr. 9 "Geh! Du sagst mir eine Fabel ..."). Dann bittet er Colas um Hilfe, die ihm mit der sehr eindrucksvollen Arie Nr. 10 (Andante maestoso in c-moll: "Diggi, daggi, schurry, murry ...") zuteil wird. Alleingeblieben findet er für seine Liebe zärtliche Töne (Nr. 11, Tempo di Menuetto "Meiner Liebsten schöne Wangen ..."). Auf Bastiennes Klagen antwortet Bastien trotzig. Mozart schildert diese Situation in Nr. 12 (Arie), in dem Bastien und dann Bastienne nacheinander die gleiche Melodie singen, aber auf einen jeweils anderen Texrt; beide prahlen, sie würden andere Liebhaber(innen) finden. Auf Bastiens Drohen, sich zu ertränken, reagiert Bastienne gelassen (Nr. 14 Recitativo "Dein Trotz vermehrt sich durch mein Leiden ? ..." / "viel Glück zum kalten Bad"). Das folgende Duett (Nr. 15 Allegro moderato mit mehrfachem Tonart-Wechsel) ist mit 232 Takten nicht nur die längste Szene des Singspieles, sondern auch musikalisch außergewöhnlich reichhaltig. Nach längerem Trotz und der Klage über die Vergangenheit ("Wo ist die schöne Zeit, da dich mein Scherz erfreut?") kippt ziemlich genau in der Mitte die Szene um ("Doch wenn du wolltest" / "Doch wenn du solltest" / "Schatz mich noch nennen" / "dies Herz erkennen") und Bastien und Bastienne versöhnen sich - man wird an den 4. Akt des viel später entstandenen "Figaro" erinnert, wo sich Figaro und Susanna versöhnen. Der hinzu kommende Colas (Nr. 16, Terzetto "Kinder! Kinder! Seht nach Sturm und Regen ...") verbindet sich mit dem Schäferpaar zu einem freudigen Schlußgesang.

Die Musik verrät uns an sehr vielen Stellen das geniale Kind, das Mozart 1768 noch war. Aber zur Musik gesellt sich bei der heutigen Aufführung noch ein Fest für das Auge, nämlich die Darstellung der Figuren durch Puppen.

Die Eigung des Singspieles für eine Marionetten-Aufführung wurde bald erkannt. Wohl am berühmtesten dürften die Aufführungen des Salzburger Marionetten-Theaters sein, das 1913 mit Bastien und Bastienne die Serie der inzwischen weltweit bekannten Opernaufführungen mit Puppen begann.

Max Wichtl

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